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Biden droht Israel: Bombenlieferstopp bei Angriff auf Rafah

So deutlich wurde Präsident Joe Biden noch nie: Wenn die israelische Armee eine Offensive gegen Rafah startet, wollen die USA keine Bomben mehr liefern. Ob Israel seine Pläne ändert, ist unklar, die Lage im Gazastreifen spitzt sich zu.

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Sieben Monate nach Kriegsbeginn hat der US-Präsident jegliche diplomatische Zurückhaltung fallen gelassen. Joe Biden, der als der Israel-freundlichste Präsident Amerikas gilt, sah offenkundig keine andere Chance mehr, als seiner tief sitzenden Frustration und Verärgerung über den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu Luft zu verschaffen: "Es ist einfach falsch. Wir werden nicht die Waffen und Artilleriegranaten liefern, die eingesetzt wurden."

Biden: "Ich werde nicht die Waffen liefern"

Was bereits in den vergangenen Tagen in amerikanischen Medien wie dem Nachrichtenportal "Axios" und der "Washington Post" unter Berufung auf amerikanische und israelische Regierungsquellen gemeldet worden war, stellte Biden nun im Interview mit dem TV-Sender CNN ganz klar: "Wenn sie nach Rafah gehen, werde ich nicht die Waffen liefern, die in der Vergangenheit für Rafah und die Städte verwendet wurden, um dieses Problem zu lösen."

Offenkundig unter dem Eindruck der anhaltenden pro-palästinensischen Studentenproteste in den USA, die Bidens Wiederwahl im November zunehmend gefährden könnten, räumte der US-Präsident ein: Ja, US-Waffen hätten Zivilisten im Gaza-Streifen getötet. Biden im CNN-Interview wörtlich: "Zivilisten wurden in Gaza als Folge dieser Bomben und anderer Methoden, mit denen sie auf Bevölkerungszentren losgehen, getötet."

Um welche US-Munition handelt es sich?

Gemeint sind damit schwere Bomben, die das Pentagon den israelischen Streitkräften bislang geliefert hatte: sogenannte "Joint Direct Attack Munitions", die jeweils etwa 900 Kilogramm schwer sind, und "Small Diameter Bombs" mit jeweils 125 Kilogramm Gewicht. Es handele sich um 3.500 Stück Munition.

Seit mindestens zwei Wochen habe das US-Verteidigungsministerium die Lieferung dieser Munitionssorten ausgesetzt, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. Andere US-Waffenlieferungen, wie etwa Munition für die Luftabwehr-Systeme Patriot und Iron Dome, werden die USA nach Worten Bidens weiterhin an Israel liefern.

"Hamas liebt Biden"

Mit einem einzigen Tweet auf X sorgte Netanjahus Koalitionspartner Itamar Ben Gvir für landesweites Aufsehen: Der rechtsextreme Minister für Nationale Sicherheit postete die Namen "Hamas" und "Biden" sowie ein rotes Herzsymbol zwischen der islamistischen Hamas und dem Nachnamen des US-Präsidenten. Damit kommentierte Ben Gvir die Ankündigung Bidens, die Waffenlieferung für eine Rafah-Offensive auszusetzen.

Noch am Vormittag sah sich daraufhin Israels Präsident Issac Herzog, dessen Bruder Botschafter in Washington ist, zu einem harschen Rüffel veranlasst: "Unbegründete, unverantwortliche und beleidigende Äußerungen" müssten vermieden werden. Der Minister für Nationale Sicherheit habe mit solchen Äußerungen "Israels nationalen Sicherheitsinteressen" geschadet, so Präsident Herzog. Ben Gvir hatte zusammen mit dem rechtsextremen Finanzminister Bezalel Smotrich das Ende der Regierung Netanjahu angedroht, sollte die israelische Armee nicht in die Flüchtlingshochburg Rafah einmarschieren.

Exodus aus Rafah

Von einem "neuen Exodus" aus Rafah spricht unterdessen die israelische Journalistin Amira Hass in der Tageszeitung "Ha'aretz". Über Jahrzehnte hinweg berichtet die Journalistin über das Leben der Palästinenser im Gazastreifen sowie im besetzten Westjordanland und verfügt dort über zahllose, persönliche Kontakte. Seit der Aufforderung der israelischen Armee vom Montagmorgen, über 100.000 Menschen in den östlichen Stadtteilen von Rafah müssten das Gebiet räumen, hätten sich die Menschen "zu Fuß, in Karren, Kleinbussen und stotternden Autos sowie auf Fahrrädern, beladen mit Matratzen, Decken und mageren Mengen an Kleidung und Lebensmitteln" auf den Weg in den Norden oder Westen gemacht.

Die Fliehenden wissen nicht, wohin

Die Menschen, so Amira Hass weiter, "haben die Wahl zwischen den Ruinen von Khan Yunis im Norden und dem landwirtschaftlich genutzten Küstenstreifen von Muwasi, der weder über Wasser noch über Abwassersysteme verfügt, den Israel aber als humanitäre Zone bezeichnet". Es herrsche völlige Verunsicherung bei den erneut Fliehenden, wohin sie gehen sollten. Seit Wochen habe Israel immer wieder erklärt, auch in Rafah einzumarschieren. Anders sei der "völlige Sieg über die Hamas" nicht zu erzielen, wie Netanjahu oftmals betonte.

Für die Flüchtlinge in Rafah, so Amira Hass in "Ha’aretz", kämen die "üblichen Schrecken dazu, die Verzweiflung und die Erschöpfung sowie das Wissen, dass man jeden Moment getötet werden kann, einen Arm oder ein Bein verlieren oder ein sechsjähriges Kind begraben kann".

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